Was für ein Gefühl: Heute ist der LETZTE Tag an der HKU! Ein Fest, eine Erlösung und gleichzeitig der Beweis für die größte Enttäuschung meiner akademischen Laufbahn…
Das, was mir hier für einen Haufen Geld geboten wurde, war nicht nur unter aller Sau, nein es war DAS LETZTE. Und das kann ich jetzt ganz ohne Bitterkeit und Subjektivität sagen. Denn jeder, der am Programm „Economics & Finance“ an der HKU teilgenommen hätte, wäre wohl zu dem gleichen Schluss gekommen. Die Professoren waren unfassbar mies und die Vorlesungen entsprechend. Die Tutorials glichen Drills und hatten kaum Mehrwert. Alles, was den Studenten hier vermittelt wurde waren bruchstückartige Fakten, die ganz ohne Zusammenhang auswendig gelernt wurden. Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie einer so ignoranten und undifferenzierten Handhabung mit akademischer Materie über den Weg gelaufen, wie hier in HK. Nichts wurde verstanden, nichts wurde gelernt. In den Tutorials wurde ein Aufgabentyp mehrfach durchgesprochen und wiederholt (DO IT NOW!) und Fragen wurden regelrecht unterdrückt. Geilster Kommentar: „When you will be working, and you get a wrong result, you will be fired…!“. Klar – wenn ich als Arbeitgeber die Wahl hätte, würde ich so jemanden nie im Leben einstellen…
Meine Güte – und in Deutschland regt man sich darüber auf, dass man in der PISA-Studie mal wieder nichts so blendend abgeschnitten habe… (http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,520422,00.html).Und wer sitzt auf dem 2. Platz weltweit: Hong Kong SAR. Und da frage ich mich allen ernstes: Wollen wir auf einem solchen Platz stehen? Ich würde aus voller Überzeugung sagen: NEIN! Nie im Leben. Lieber habe ich schlechte Resultate in einem solchen Test, als eine Ansammung von Lernzombies, die trotz all ihres „Wissens“ einen Horizont von hier bis zum Ende ihrer Reisschüssel haben. Schule ist hier ein Drill. Schon 3-jährige Kinder lernen in uniformer Kleidung von morgens bis abends auswendig, mit dem einzigen Ziel irgendwann mal 16 Stunden am Tag zu arbeiten und möglichst viel Geld zu verdienen. Klar, das dabei gute Resultate in stupiden Tests rauskommen. Aber bestimmte Sachen können einem in solchen Lernstätten nicht gelehrt werden: Menschlichkeit, Offenheit, die Fähigkeit, differenziert zu denken und alles, was man sonst noch unter dem Begriff „soft skills“ verstehen könnte…
Ich hatte leider in meiner Zeit hier an der HKU mit HK-Chinesen so viel zu tun wie Mohammed mit Schweinefleisch – aber das liegt keinesfalls daran, dass ich Chinesen nicht kosher finde (Ohhhh, wer hätte geglaubt, dass man diese Worte in einem (!) Satz unterbringen kann 🙂 ), sondern vielmehr, dass dies einfach unmöglich war. Aus meiner Erfahrung heraus, muss ich leider zugeben, dass HK-Chinesen kalt, selbstzentriert und furchtbar effizient sind. Alles scheint darauf ausgerichtet zu sein, möglichst viel zu erreichen und später möglichst reich zu werden. „Money is GOD“ – Geld bestimmt jede Sekunde des Lebens. Wer nichts verdient, ist in der Gesellschaft nichts wert. Wer keine Markenartikel trägt, verdient kein Geld und ist dementsprechend nichts wert…. und so weiter. Doch dieser Pseudo-Religion wird alles und jeder unterworfen. Kultur, Religion, Lebensfreude, Ästhetik, Spaß, Freiheit und Denken – alles muss sich dem Geld unterwerfen. Ziemlich harsche Kritik für jemanden, der später einmal im Finanz-Sektor arbeiten möchte, aber ich verstehe unter Effizienz und Zielstrebigkeit immernoch einen Mix aus ersterem und Lebensqualität.
Angela Merkel würde sich hier pudelwohl fühlen, denn der Großteil der Menschen hat ungefähr die gleichen Gesichtszüge wie unsere Frau Bundeskanzlerin (bevor sie professionelle Hilfe bekam). Hong Kong biete keine Freiheit: Die gesamte Stadt ist darauf ausgerichtet, zu funktionieren. Aber ohne Rücksicht darauf, dass es Menschen sind, die hier funktionieren sollen! Sicherlich ist es aus Arbeitgeber-Sicht phantastisch, auf eine Workforce zurückzugreifen, die nie „Nein“ sagt und ohne Murren 16 Stunden pro Tag arbeitet. Klar – aber für mich hat so ein System keine Zukunft. In einer Stadt, in der „Shopping“ die Freizeitbeschäftigung Nr. 1 ist, läuft Grundsätzliches schief… Kapitalismus rulez, ohne Rücksicht, ohne Widerstand.
Warum schreibe ich sowas? Ich versteh’s grade auch nicht… Ich, als Vertreter der freien Marktwirtschaft, Student der BWL und Anhänger liberaler Gedanken. Hmmm… vielleicht, weil hier alles im Exzess betrieben wird und einem deutlich wird, wohin das alles führen kann. Die Universität und die Menschen haben bewirkt, dass ich mittlerweile kurz davor bin, meine Reise ans andere Ende der Welt zu bereuen. Immerhin hätte ich genauso gut etwas lernen können, vielleicht nen schönes Auslandssemester in Spanien verbringen können und so weiter. Aber dafür ist es zu spät. Niemand kann mir vorwerfen, dass ich nicht versucht hätte, das beste daraus zu machen – das habe ich. Ich habe nicht aufgegeben und jeden Tag versucht, einen neuen Start hinzulegen, doch bin ich an noch Unerklärlichem gescheitert. Im Grunde rege ich mich momentan so unglaublich darüber auf, dass ich zerplatzen könnte. Hätte ich vorher die Gelegenheit gehabt, einen Einblick in dieses System zu bekommen, wäre ich nie im Leben hierher gekommen. Tagtäglich zu versuchen, tagtäglich zu kämpfen hat nur bedint einen Sinn, nämlich nur dann, wenn das Ziel, welches man verfolgt, lohnenswert ist. Und wenn dies bedeutet, dass man sich dieser Ignoranz unterwirft und im Strom schwimmt: No, thanks.
Doch letztendlich kann ich zu einem Schluss kommen: Ich würde dennoch empfehlen, diese Stadt zu „erfahren“, denn es gibt einem Einblicke, die man wohl anders nie erleben würde. Ob das hier Asien ist, oder gar „die Zukunft“, möchte ich gar nicht wissen. Aber es gesehen zu haben ist schon mal ganz wertvoll. Auch, wenn es alles nicht einfach wäre und ich gut und gerne direkt wieder umgedreht wäre. Wovon ich jedem abraten kann, ist von einem Studium an der HKU. Jedenfalls für das Programm „Econ & Finance“. Das ist – ganz ohne Wertung – schlicht und ergreifend Geld- und Zeitverschwendung. Man kann diese Stadt und ihre Leute auch „angenehmer“ kennenlernen…